MSA 4 richtig gemacht– Linearität erkennen & Risiken vermeiden: Eine Projekt-Story aus der Industrie

MSA 4 richtig gemacht– Linearität erkennen & Risiken vermeiden: Eine Projekt-Story aus der Industrie

Bevor man sich auf scheinbar perfekte Werte verlässt, lohnt sich ein zweiter Blick – insbesondere dann, wenn Ergebnisse zu gut erscheinen, um wahr zu sein.
Die folgende Projekt-Story zeigt, wie eine Messsystemanalyse dort Klarheit schuf, wo zuvor trügerische Sicherheit herrschte.

Wenn das Messergebnis zu gut ist, um wahr zu sein

In modernen Produktionslinien verlässt man sich auf Maschinen, Sensoren und Daten – doch wie sicher sind unsere Ergebnisse wirklich? Was, wenn die Zahlen, die uns Sicherheit geben sollen, in Wahrheit ein Risiko verdecken?

Dieser Artikel erzählt die Geschichte eines Industrieprojekts, das genau diese Frage auf dramatische Weise beantwortet. Erfahren Sie, wie eine gezielte Messsystemanalyse nach MSA-Verfahren 4 einen versteckten Fehler aufdeckte – und warum dieses Vorgehen heute zum neuen Standard gehört.

Das erwartet Sie:
•    Wann herkömmliche MSA-Verfahren nicht mehr ausreichen
•    Wie Sie Linearität verlässlich prüfen
•    Welche echten wirtschaftlichen Vorteile eine gute MSA bringen kann

Projektkontext: Kamera-basierte 100%-Prüfung bei Pressfit-Pins

In einem Automobilzulieferbetrieb wurde die Qualitätsprüfung eines hochkomplexen Bauteils eingeführt: umspritzte Pressfit-Pins, bei denen die exakte Geometrie entscheidend für die Funktionalität ist. Eine industrielle Kamera übernahm dabei die 100-Prozent-Inspektion als End-of-Line-Prüfung – einschließlich der x-y-Position der Pin-Spitzen sowie der z-Höhen der Schweißpads.

Da es sich um besonders enge Toleranzen und ein prozesskritisches Merkmal handelte, wurde der Fertigungsprozess zunächst als nicht fähig eingestuft. Eine umfassende Qualifizierung des Messsystems wurde obligatorisch.

💡 Buchtipp: Sicherstellung valider Messergebnisse

Eignungsnachweis von Prüfprozessen von Edgar Dietrich, Alfred Schulze

Grenzen klassischer MSA-Verfahren

Bislang setzte das Unternehmen bei Messsystemanalysen auf Verfahren 1 (Genauigkeit und Präzision) sowie Verfahren 3 (Wiederholbarkeit). Die Automatisierung des Prüfprozesses ließ den Einfluss von Bedienern als vernachlässigbar erscheinen, und durch den Einsatz mehrerer Werkstückträger wurden systematische Schwankungen zusätzlich reduziert. Dieses Vorgehen hatte sich in der Vergangenheit als ausreichend erwiesen.

Im aktuellen Projekt jedoch reichte diese Methodik nicht mehr aus. Die Prüfergebnisse erschienen zunächst stabil – doch eine gezielte Belastungsprüfung offenbarte eine kritische Schwachstelle: Die Schweißpads wurden manuell in ihrer Höhe verändert, um die Reaktion des Kamerasystems außerhalb der üblichen Toleranzgrenzen zu testen. Trotz realer Abweichungen meldete das System weiterhin Messwerte innerhalb der Spezifikation.

💡Ursache: Eine nicht erkannte Nichtlinearität im Kamerasystem

In bestimmten Messbereichen reagierte das System nicht mehr korrekt auf Abweichungen – mit potenziell gravierenden Folgen für die Produktqualität

Linearitätsprüfung und Optimierung mit MSA-Verfahren 4

Linearität beschreibt die Fähigkeit eines Messsystems, über den gesamten Messbereich hinweg konsistent und verlässlich zu messen – unabhängig davon, ob es sich um hohe oder niedrige Werte handelt. Dabei wird geprüft, ob der Messfehler (Bias) zwischen dem gemessenen und dem tatsächlichen Wert konstant bleibt oder sich systematisch verändert, wenn unterschiedliche Werte gemessen werden.

Das MSA-Verfahren 4 stellt damit sicher, dass das Messsystem nicht nur im Mittelbereich, sondern auch an den Rändern des Toleranzfeldes zuverlässig arbeitet – ein entscheidender Faktor für die Bewertung prozesskritischer Merkmale.

Um diese Lücke zu schließen, erfolgte eine vollständige Messsystemanalyse nach Verfahren 4. 

Diese wurde angelehnt an MSA4 (AIAG) und Dietrich, Schulze: „Eignungsnachweis von Prüfprozessen“ definiert. Dazu werden drei Referenzteile mit bekanntem Wert (Gegenmessung auf Koordinatenmessmaschine) in einem Bereich von USG ± 10%, Soll ± 10% und OSG ± 10% je zehn Mal gemessen. Wie erwartet, war das Ergebnis n.i.O.

Abb. 1: Auswertung MSA Verfahren 4 (Linearität) – n.i.O., Quelle: Paul Rosner

Die Auswertung zeigt deutlich, dass das Messsystem nur im Bereich des Soll-Werts linear arbeitet, aber im Bereich der oberen und unteren Spezifikationsgrenze deutlich eine Nichtlinearität und systematische Messabweichung vorliegen.

Gemeinsam mit den Experten für Bildverarbeitung wurde das Kamerasystem optimiert. Dadurch ließ sich die Linearität über den gesamten Messbereich herstellen. Ein anschließender Validierungslauf ergab nun eine geradlinige Überführung der physischen Höhenabweichung in korrekte Messsignale.

Abb. 2: Auswertung MSA Verfahren 4 (Linearität) nach Optimierung – Ergebnis .i.O., Quelle: Paul Rosner

Standardisierung & Lessons Learned

Die optimierte Messsystemanalyse brachte nicht nur Klarheit über die Systemgrenzen, sondern auch messbaren Nutzen: Die Messsystemfähigkeit wurde erfolgreich validiert, das Risiko für Schlupf und Reklamationen signifikant reduziert, und gleichzeitig konnte teurer Pseudoausschuss vermieden werden. Das Ergebnis: höhere Qualität bei geringeren Kosten – ein Gewinn für Produkt, Prozess und Unternehmen.

Aus dem Projekt wurden nachhaltige Verbesserungen und ein globales Lessons Learned abgeleitet:

1. Integrierte Verfahren:

Das MSA-Verfahren 4 (Linearität) ist nun fester Bestandteil jeder Messsystemanalyse und standardmäßig im Prozess verankert.

2. Standardisierung & Automatisierung:

Eine Excel-Vorlage mit automatisierten Berechnungen ermöglicht schnelle Analysen. Die Ergebnisse werden zusätzlich durch Minitab abgesichert.

3. Qualifikationen stärken:

Alle Qualitätsmitarbeitenden wurden in einem kompakten Workshop in die Prinzipien der Linearitätsprüfung eingeführt – so ist sichergestellt, dass das erweiterte MSA-Portfolio künftig konsistent und sicher angewendet wird.

Mehrwert durch fundierte Messsystemanalyse

Dieses Projekt steht exemplarisch für den Mehrwert einer konsequent durchgeführten Messsystemanalyse: methodisch fundiert, interdisziplinär getragen und wirtschaftlich wirksam.

Messsystemanalyse richtig gemacht bedeutet nicht nur Prozesskontrolle, sondern echten Fortschritt.


Abb. 3: Vergleich der Verfahren zur Messsystemanalyse für stetige Daten., Quelle: Eigendarstellung

Fazit: Messen allein genügt nicht

Was auf den ersten Blick wie ein funktionierender Prüfprozess wirkte, entpuppte sich bei genauerem Hinsehen als trügerisch. Die automatisierte Kamera lieferte scheinbar perfekte Messergebnisse – doch nur, weil sie eine zentrale Eigenschaft nicht erfüllte: Linearität. Dieses Projekt zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, auch funktionierende Systeme regelmäßig zu hinterfragen und systematisch auf ihre Grenzen zu prüfen.

„MSA richtig gemacht“ steht dabei für mehr als nur ein zusätzliches Analyseverfahren. Es bedeutet, bereit zu sein, bekannte Pfade zu verlassen, sich mit Spezialisten zusammenzusetzen und neue Erkenntnisse konsequent in den Prozess zu integrieren. Die Kombination aus technischer Präzision, interdisziplinärer Zusammenarbeit und echtem Qualitätsbewusstsein führte hier zu einem spürbaren Mehrwert – wirtschaftlich wie qualitativ.

Denn echte Qualität entsteht nicht allein durch Kontrolle – sie entsteht durch kritisches Denken, kluges Messen und durch das Vertrauen in eine Methode, die der Realität standhält. Wie sehen Ihre Messergebnisse aus? Jetzt MSA 4 in Ihren Prozess integrieren - wir unterstützen Sie dabei!


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